Beauty

Tierversuchsfreie Kosmetik: mit Konsequenz zum Ziel

Stefanie Behrens, freie Autorin
Stefanie Behrens, Freie Autorin
8. Juni 2020

Eigentlich möchte wirklich niemand mehr Wimperntusche, Lippenstifte, Cremes, Sonnenschutz oder Shampoos – kurz Kosmetika – benutzen, die an Tieren getestet wurden. Das Leid der Tiere sollte dafür absolut nicht in Kauf genommen werden – und das muss es doch auch nicht? Tierversuchsfreie Kosmetik zu garantieren, ist ein absolut sinnvolles Ziel.

Tierversuchsfreie Kosmetik
Ziel: Tierversuchsfreie Kosmetik zu garantieren. Bild: iStock

Tierversuchsgegner unter Medizinern führen zudem an, dass sich die Ergebnisse von Tierversuchen im Bereich der Kosmetik wegen anatomisch-physischer Stoffwechsel-Unterschiede zwischen Mensch und Tier nicht auf den Menschen übertragen ließen: Testungen an Tieren wären kein Garant für ein sicheres Produkt. Seit 2013 untersagt eine EU-Richtlinie Tierversuche im Feld der Kosmetik. Doch für Inhaltsstoffe im Bereich der Chemikalien, die ebenfalls in Kosmetikprodukten vorkommen, sind gesetzlich noch Tierversuche vorgeschrieben beziehungsweise erlaubt. Die Forschung arbeitet an alternativen Testmethoden und viele Vertreter der Kosmetikindustrie unterstützten diese.

Hilfreich im Dschungel der Aussagen über Kosmetik ohne Tierleid sind zertifizierte “Cruelty-Free”-Siegel beim Kauf von Make-up und Hautreinigungs- und Pflegemitteln. Die Tierrechtsorganisation PETA e.V. informiert und aktualisiert regelmäßig eine Liste mit tierversuchsfreien Kosmetik-Marken. Generell wächst das Bewusstsein und der Kampf dafür, dass Tierleid für die Testung von allen Kosmetikinhaltsstoffen der Vergangenheit angehören sollte. Dafür müssen aber weltweit noch Mittel und Wege gefunden werden.

Übersicht:


Werden für Kosmetikprodukte in Deutschland noch Tierversuche durchgeführt?

Seit dem Erlass der Europäischen Kosmetikverordnung vom 11. März 2013 wird auf die Testung an Tieren von Inhaltsstoffen, die ausschließlich für Kosmetikprodukte verwendet werden, in Deutschland verzichtet. Birgit Huber, Bereichsleiterin-Schönheitspflege vom IKW (Industrieverband Körperpflege und Waschmittel e.V.), fasst zusammen:

Diese Vorgaben sind für Kosmetikunternehmen gesetzt: Also sind die Einfuhr und der Verkauf von neuen, an Tieren getesteten Kosmetikprodukten und Inhaltsstoffen für Kosmetik seit dem 11. März 2013 EU-weit verboten.

Ein großer Schritt in Richtung tierversuchsfreie Kosmetik. Seit dem Erlass wurde von Herstellern der Beauty-Branche vermehrt auf bekannte Rohstoffe zurückgegriffen. Die Weiterentwicklung von tierversuchsfreien Testmethoden wird seitdem EU-weit noch stärker vorangetrieben, was auch Konzerne wie beispielsweise L’Oréal dokumentieren. Auch der deutsche Beiersdorf-Konzern sieht sich als Pionier und weltweit führendes Unternehmen auf dem Gebiet der alternativen Testmethoden, dessen In-Vitro-Test zu UV-Licht als erster in China anerkannt wurde.

Tierversuchsfreie Kosmetik
Nur weil ein Produkt als tierversuchsfrei gekennzeichnet ist, heißt es nicht, dass auf die Aussage vertrauen können. Bild: iStock

So gesehen müssten doch eigentlich alle Kosmetikprodukte, die in Deutschland und der EU seit 2013 verkauft werden, inzwischen tierversuchsfrei sein. Sollte man meinen. Doch wir können uns noch nicht entspannt zurücklehnen, denn so einfach ist die Sachlage leider nicht.

Wieso greift die Verordnung zum Tierversuchsverbot noch nicht ausreichend?

1. Die EU-Chemikalien-Verordnung REACH relativiert die Lage

Der Aufdruck „Dieses Produkt wurde nicht an Tieren getestet“ auf einer Cremetube kann eine reine Marketingaussage sein, die nicht belegt werden muss. Denn dass das fertige Produkt nicht an Tieren getestet wurde, sagt leider nichts über die einzelnen Inhaltsstoffe aus: Die dürfen zum Beispiel an Tieren getestet werden, wenn sie auch für medizinische Produkte verwendet werden oder unter die EU-Chemikalien-Verordnung REACH (Abkürzung für “Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals”, auf Deutsch: Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien) fallen. 2007 trat sie als Vereinheitlichung der Chemikaliengesetze in der EU in Kraft. Per Gesetz müssen alle chemischen Substanzen auf ihren Einfluss auf Mensch und Umwelt auch mit Tierversuchen getestet und bewertet werden. Industrielle Substanzen, Inhaltsstoffe für Alltagsprodukte wie Wasch- und Reinigungsmittel, aber auch viele Inhaltsstoffe, die in Kosmetika eingesetzt werden, fallen darunter. So wurde jeder Stoff irgendwann schon mindestens einmal im Tierversuch getestet – auch wenn das schon länger zurückliegt.

Die EU-Tierversuchsverbote beziehen sich nur auf Inhaltsstoffe, die ausschließlich für Kosmetikartikel verwendet werden. Dies betrifft nach Ansicht des “Ärzte gegen Tierversuche e.V.” leider nur einen kleinen Anteil kosmetischer Produkte von etwa 10 Prozent. Der engagierte Verein kritisiert weiterhin, dass auch altbekannte und bewährte, natürliche Inhaltsstoffe wie Jojobaöl und Olivenöl im chemikalien-rechtlichen Rahmen an Tieren getestet werden.

Fazit: Deshalb kann – auch nach Inkrafttreten der Europäischen Kosmetikverordnung im Jahr 2013 – von kaum einem Kosmetikprodukt gesagt werden, dass es wirklich komplett tierversuchsfrei ist, wenn man die Testungen in der Vergangenheit mit einbezieht. Diese Grundvoraussetzung betrifft kleine Labels, mittelständische Unternehmen sowie international agierende Konzerne.

2. Für den Export nach China werden Ausnahmen gemacht

Chinas Gesetzeslage fordert für den Import von Kosmetikartikeln immer noch Tierversuche –  hiervon sind Hongkong und Taiwan ausgenommen. In Deutschland konnten viele Jahre lang die gleichen Produkte, die für den China-Export an Tieren getestet wurden, auch hier verkauft werden. 2016 justierte der Europäische Gerichtshof die unklare Lage nach: Um in der EU kosmetische Produkte zu verkaufen, müssen Unternehmen seither in der Lage sein, alle Tests zur Unbedenklichkeit ohne Tierversuche nachweisen zu können. Solange dies möglich ist, werden eventuell für die Zulassung in Nicht-EU-Staaten durchgeführte Tierversuche ignoriert.

Der IKW (Industrieverband Körperpflege und Waschmittel e.V.) setzt sich mit Vertretern der Kosmetikindustrie dafür ein, dass alternative Testmethoden wie “In-vitro-Methoden” anerkannt werden und der lange Prozess bis zur Anerkennung beschleunigt wird. So freut sich Birgit Huber, Bereichsleiterin-Schönheitspflege vom IKW: “Erste Erfolge dieser Anstrengungen sehen wir zum Beispiel in China. In den Produktkategorien Shampoos, Duschgele und Make-up gibt es seit einiger Zeit bei den Behörden ein vereinfachtes Registrierungsverfahren ohne Tierversuche. Dies begrüßen wir sehr und werden weiter daran arbeiten, dass Alternativmethoden als Ersatz für Tierversuche für sämtliche Produktkategorien akzeptiert werden.”

Garantieren Tierversuche im Kosmetikbereich Sicherheit für den Menschen?

Der Verein “Ärzte gegen Tierversuche e.V.” vertritt die Ansicht, dass sich die Ergebnisse der Tierversuche im Kosmetikbereich wegen der vielfältigen anatomisch-physischen Stoffwechsel-Unterschiede zwischen Mensch und Tier sowie zwischen Tieren untereinander nicht auf den Menschen übertragen ließen. Tierversuche böten niemals eine Gewähr dafür, ein sicheres Produkt in den Händen zu halten. Erst wenn sich ein Produkt jahrzehntelang bewährt habe, ohne dass es beim Menschen zu Schäden gekommen sei, könne von einer Unbedenklichkeit gesprochen werden.

Zertifizierte Siegel für tierversuchsfreie Kosmetik

Viele Beauty-Firmen, ganz besonders im Naturkosmetik-Segment, nehmen sehr bewusst Abstand von der Testung neuer Kosmetik-Inhaltsstoffe an Tieren. Diese Firmen lassen ihre sogenannten Fertigprodukte sowie auch alle verwendeten Inhaltsstoffe prüfen und garantieren, dass nichts davon in einem neuen Prozess an Tieren getestet wurde. Hierfür gibt es zwei vertrauenswürdige Siegel:

Leaping Bunny (auf Deutsch: springender Hase) ist bisher das einzige international gültige Siegel für Kosmetik ohne Tierversuche von “Cruelty Free International”.

Hase mit schützender Hand (oder Kaninchen mit schützender Hand) vom Deutschen Tierschutzbund e.V.. Zusammen mit dem Internationalen Herstellerverband gegen Tierversuche in der Kosmetik e.V. (IHTK) zertifiziert er Kosmetikprodukte mit dem Hasen mit schützender Hand. Ein Hersteller erhält das strenge Siegel nach Prüfung vieler Aspekte auch nur dann, wenn er keiner Firmengruppe angehört, in der Tierversuche stattfinden.

PETA Cruelty-Free wird als Logo nach strenger Prüfung für Kosmetika ohne Tierversuche vergeben und in Petas “Kosmetik ohne Tierversuche”-Liste aufgenommen.

Marken, die tierversuchsfreie Kosmetik produzieren

Die Tierschutzorganisation PETA Deutschland e.V. pflegt eine Liste der Marken, die der Tierrechtsorganisation zusichern, keinerlei Tierversuche durchzuführen oder in Auftrag zu geben – auch nicht über die Chemikalien-Verordnung REACH (s. oben). Gekennzeichnet wird außerdem, ob es sich um tierversuchsfreie Pflegeprodukte, um dekorative Kosmetik und zusätzlich noch um vegane Kosmetik handelt. Als Beispiele lassen sich die Marken Dove & Santaverde nennen.

Sich für tierversuchsfreie Kosmetik auf allen Ebenen und in jeglicher Konsequenz einzusetzen, ist ein wichtiges Ziel. Immer mehr Kosmetikfirmen, von kleinen Labels bis hin zu einzelnen Brands großer Konzerne, verfolgen diesen Weg.

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